Deutschland kreißte, hat also gewählt – und gebar eine Maus! Genauer gesagt sogar gleich eine ganze Schar Mäuse, ein halbes Dutzend plus eine halbe Portion: Zwei arg gerupfte und daher entsprechend zerknautschte und verschrumpelte einstige Dinomäuse und drei niedliche, stramme Minimäuse – klein, aber oho. Dazu noch eine fidele, im Verlauf der Wahl aber ein wenig abgemagerte, blau- weiße Wühlmaus mit großen, aber stumpfen Zähnen. Und – omg – noch eine blau- schwarze Fledermaus, die böse guckt und vor der sich alle fürchten. So heißt es jedenfalls.
Die nackten Zahlen: GroKo abgestraft, AfD und FDP auf Wolke 7, Grüne & Linke behauptet
Doch Ernst beiseite, kommen wir zu den Freuden des richtigen Lebens im falschen: Die Bundestagswahl 2017 hat die Parteienlandschaft gehörig durcheinandergewirbelt und umgekrempelt. In der ARD war in Anbetracht der Prognose um 18:00 Uhr gar die Rede von ‘tektonischen Verschiebungen’. Die meisten Gebäude stehen immerhin noch. Ein wenig windschief vielleicht – was die Statik anbelangt, weiß man noch nicht so recht. Schaunmermal! Die mittel- und langfristigen Folgen dieses politischen Parteienbebens auf hoher See werden wohl erst absehbar sein, wenn der Tsunami die Küste küsst.
Was rollt da auf uns zu? Der Einzug der rechts-konservativen Protest-Partei AfD war allgemein erwartet worden, doch geriet er mit fast 13% und Platz 3 unter den Parteien womöglich um eine oder gar anderthalb Nummern zu happig, als dass er als handelsüblicher Kollateralschaden abgetan werden kann. Umgekehrt proportional dazu verhielt es sich bei den in der Großen Koalition (GroKo) zusammengeschlossenen bisherigen Regierungsparteien SPD und CDU. Verluste waren erwartet worden, ein derartiges Wahl-Massaker mit minus 9% bei der Union bzw. minus 5% bei der SPD (auf Basis eines bereits vor 4 Jahren äußerst mageren Resultates) und somit die historisch schwächsten Ergebnissen dieser Parteien nach 1949 jedoch nicht. Und das trotz monatelanger, unentwegter, regierungsfreundlicher Dauerbeschallung der Bürger durch den Staatsfunk! Sogar Schönrednerei kennt offenbar keine Grenzen!
Der FDP gelang ein auf programmatischen Aktualisierungen und dem eloquenten Christian Lindner, auf Vorschusslorbeeren und auf den aus immer wieder anderen Gründen üblichen Leihstimmen verunsicherter CDU-Wähler beruhendes, eindrucksvolles Comeback, die Grünen schnitten deutlich besser ab als zuletzt vorhergesagt und ‘Die Linke’ konnte sich ebenfalls behaupten, auch wenn sie mit dem Ergebnis angesichts der brisanten politischen und sozialen Lage im Land eigentlich nicht wirklich zufrieden sein kann. Es ist ja schon fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass immer dann, wenn es drauf ankommt, die klassische Partei der kleinen Leute Volkes Stimme & Stimmung offenbar weniger absorbiert als eine Law & Order-Partei. Ob öffentliche Sicherheit doch irgendwie zur sozialen Sicherheit mit dazugehört? Das wagte bislang nur Sahra Wagenknecht zu thematisieren. [Update: Nun sprang ihr Ehemann Oskar Lafonaine bei.]
Erste Reaktionen
Die amtierende Kanzlerin wirkte schon fast verstörend unbeeindruckt vom Wahldesaster der CDU, betonte ihren Anspruch auf Fortsetzung der Kanzlerschaft und zeigte ansonsten ein freundliches Gesicht. So und nicht anders kennt man sie. Aber ist das wirklich ihr wahres Gesicht? Eines, in dem geschrieben zu stehen scheint: Egal, was ihr von mir haltet, nun bin ich halt da?
[Update]
“Ich bin nicht enttäuscht.” – “Ich kann nicht erkennen, was wir anders hätten machen müssen.” – “Wir haben unsere strategischen Ziele erreicht.” – Nicht wenige in der CDU – und außerhalb – trauten ihren Ohren nicht, als sie Angela Merkel bei der Wahlanalyse zuhörten. Historische Verluste hatte die Partei erlitten, das schlechteste Ergebnis seit 1949 eingefahren, doch die Vorsitzende wirkte nicht sonderlich erschüttert. (Spiegel)
“Ihr [Merkels] trotziges „Ich bin nicht enttäuscht“ ist das Gegenteil von „Wir haben verstanden.“ Die Reaktion verrät einen eklatanten Mangel an Demut. Aus Merkels Satz spricht die Arroganz der Macht.” (Stuttgarter Zeitung)
[/Update]
Die SPD reagierte da schon irgendwie menschlicher, nämlich wie eine beleidigte Leberwurst: Sie kündigte wenige Minuten nach der Auftaktprognose des Wahldebakels ihren Rückzug aus der Regierung an. Ihr eher zaghaftes Konzept von mehr sozialer Gerechtigkeit zog nicht so recht im Wahlkampf, zumal sie zu den mit der Asyl- und Einwanderungsproblematik in Zusammenhang stehenden Themen kein brauchbares Konzept vorzuweisen hatte, nämlich gar keins, sondern auf Zeit spielte. Nun will sie in sich gehen und sich neu aufstellen. Personell aber soll alles beim alten bleiben. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Man wird sehen, was tatsächlich daraus wird. Der korrekte oder jedenfalls um Korrektheit stets bemüht wirkende bisherige Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann wurde jedenfalls schon mal ziemlich geräuschlos – fast möchte man sagen: still und heimlich – ent … ähhh … gegen die kämpferische Andrea Nahles ausgetauscht, die künftig von den Oppositionsbänken aus der Regierung ‘auf die Fresse’ geben will (natürlich nur im Spaß!). Ob eine Auswechslung von KK Martin Schulz – wer war das gleich nochmal? – mehr öffenliche Aufmerksamkeit generieren würde? Man weiß es (noch) nicht…
Bei FDP, Grünen & Linken blieb es erstmal dem äußeren Anschein nach ruhig im Karton. Wobei ich mir bei Grünen & Linken nicht so ganz sicher bin. Dafür gab’s beim großen Wahlgewinner AfD gleich ordentlich Krawall: Die Parteivorsitzende (!) Frauke Petry kündigte am Tag nach der Wahl an, nicht der Bundestagsfraktion ihrer Partei angehören und die Partei demnächst verlassen zu wollen. An der ‘Jagd’ auf die künftige Bundesregierung, wie AfD-Sprecher Alexander Gauland es formulierte, will sie sich offenbar nicht beteiligen. Womöglich gab es Unklarheiten beim Schießbefehl, aber auch persönliche Gründe und Verletzungen mögen eine Rolle gespielt haben. Nicht wirklich ein perfekter Start für die AfD. Und wer weiß, wie es weitergeht, wenn es so weitergeht? Das Eis ist bekanntlich dünn, auf dem die AfD wandelt.
Man kann der AFD nur wuenschen ‚dass Sie den Rat dieses Mannes folgen.