Auf nach Jamaika?
Denn neben Jamaika sind auch baldige Neuwahlen eine durchaus nicht unrealistische Option. Ja, richtig gelesen: Es geht gen West- Südwest Richtung Jamaika! Denn mit dem Rückzug der SPD in die Opposition – so es denn dabei bleibt und davon kann man wohl ausgehen – bliebe die von vielen Experten bereits vor der Wahl favorisierte Jamaika- Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen die einzige realistische Option für die Bildung einer Regierung mit einer Mehrheit im Parlament. Ganz so einfach dürfte die allerdings nicht zustande kommen. Denn in der Karibik ist gerade Hurrikan-Saison!
Zwar können FDP & Grüne vom Wahlergebnis her mit breiter Brust in Koalitionsverhandlungen gehen, doch auch in der Tiefe des Raumes dieser Parteien schlummert Potential für Konflikte. Die FDP muss vor allem zusehen, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen nicht gleich wieder verspielt. Wäre ja nicht das erste Mal. Insbesondere in der Frage der Vergemeinschaftung der europäischen Staatsschulden und -haushalte sowie in der in der vergangenen Legislatur völlig aus dem Ruder gelaufenen Asyl- und Einwanderungspolitik, der sie mit einer Art AfD- light- Konzept programmatisch Rechnung trug und daher etliche Stimmen zu verdanken haben dürfte, muss sie liefern. Ob mit oder ohne den von Lindner im Wahlkampf geforderten Merkel-Untersuchungsausschuss.
Bei den Grünen könnten sich – rein theoretisch, versteht sich – zunehmend diejenigen zu Wort melden, die den Weg von einer Partei der Ideologen, Phantasten und Gutmenschen hin zu einer Partei pragmatischer Realisten ganz gerne auch mal konsequent zu Ende gehen wollen. Dazu müssten aber noch ein paar hohe Hürden genommen und der eine oder andere Rat aus Tübingen angenommen werden. Dem sportlichen Cem Özdemir ist das sicherlich zuzutrauen. KGE müsste nach ihren bisherigen Fehlversuchen in der Diszipin sinnvolle Aussagen zur Zuwanderung wohl erstmal reichlich Charme investieren. Oder sagt man heute bei Frauen Chuzpe? Egal, sie verfügt ja über beides.
Is it love? Bob Marley
Noch deutlich tiefer gehen die Verwerfungen bei der Union. Insbesondere die schwer angeschlagene CSU (minus 10% in Bayern) steht unter enormem Druck, nach vielen vollmundigen Ankündigungen zur Abwechslung auch mal zu liefern. Dort hat das Hauen & Stechen schon begonnen und der alte weiße Mann der Partei kämpft bereits mit einem Bein im bajuwarischen Meer. Oder fränkischen Sumpf. Einen Trumpf hat Seehofer immerhin in der Hinterhand: Ohne die CSU geht diesmal gar nichts, denn ohne ihre 6% müsste die komplette Pauschalreise nach Jamaika mangels Wind im Segel, sprich Mehrheit im Bundestag, storniert werden. No Lederhose, no cry – aber eben auch kein fun!
Und auch bei der CDU könnte sich die scheinbare Ruhe als trügerisch erweisen. Denn ob die ambitionierten Hoffnungsträger, Abgeordneten und Regionalfürsten in der Partei weiterhin stillhalten und dem unaufhörlich bröckelnden Vertrauensverlust der Bürger in ihre Partei weiterhin tatenlos zusehen werden, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist ein solches Wahlergebnis ein guter Anlass & Zeitpunkt, über das Image eines Kanzlerwahlvereins nochmal neu nachzudenken?
Auf der Suche nach dem verlorenen Vertrauen
Bevor es weiter gehen kann, muss aber doch noch das eine oder andere aufgearbeitet werden. Werden die etablierten Parteien aus dem Wahlergebnis lernen oder werden sie nach dem ersten Aufruhr wieder allzu rasch in den alten Trott verfallen? Zunächst einmal war nicht allzu viel Selbstkritik erkennbar. Kaum waren die Wahllokale geschlossen, die erste Hochrechnung verkündet und die Gesichter der Vertreter der bisherigen Regierungsparteien dementsprechend länglich, wurde zunächst in den Politikerrunde wieder einmal nur ein Sündenbock gesucht und gefunden, um vom eigenen Versagen abzulenken, statt die eigene Politik zu hinterfragen.
Dass so viele Menschen im Land zutiefst unzufrieden sind, das haben die Kanzlerin, die CDU/CSU und die SPD aber ganz alleine sich selbst zuzuschreiben. Und dass die Menschen auch nicht Schulz statt Merkel wollten, liegt schlicht in der programmatischen wie personellen Verantwortung der SPD. Das Erstarken der AfD ist nicht die Ursache der Probleme im Land, sondern die Folge einer Politk, die sich vom Alltag der Bürger und ihren Bedürfnissen meilenweit entfernt oder gar komplett abgekoppelt hat.
Mit einem ‘weiter so’ und ‘wir schaffen das’ wird sich die Spaltung im Land schwerlich überwinden lassen. Auch nicht mit einem ‘jetzt erst recht’. Es ist ja keineswegs so, dass alles, was Merkel und die Bundesregierung in den vergangenen 4 Jahren gemacht haben und was der Staatsfunk gesendet hat, alternativlos, gut und richtig war. Es ist aber auch nicht so, dass man es künftig nicht besser machen kann. Kritik und das Suchen nach besseren, sozialverträglichen Lösungen oder nach einer Alternative oder einer Korrektur für einen falschen Kurs ist Teil demokratischer Kultur und Diskurses und Kritiker sind nicht per se Nazis, Rassisten oder sonstige Verbrecher, die ausgegrenzt und mundtot gemacht werden müssen. Oder ist es doch schon wieder soweit?
Man kann der AFD nur wuenschen ‚dass Sie den Rat dieses Mannes folgen.