Warum eine verengte Rechtsextremismus-Studie statt eine neutrale Studie zu den Auswirkungen des Handelns der Exekutive insgesamt?
Ungefähr seit dem Tod des Schwarzen George Floyd im Verlauf eines brutalen Polizeieinsatzes in den USA fordern linke & grüne Politiker & Journalisten kampagnenartig eine Studie über Rechtsextremismus und Rassismus auch bei der deutschen Polizei.
Auch hierzulande gibt es des öfteren Vorwürfe gegen Polizisten oder Polizeitaktiken hinsichtlich Rechtsextremismus oder Rassismus und Diskriminierung gegenüber Südländern und Farbigen in Form ungerechtfertigter Gewaltanwendung, ‘Racial Profiling’ oder Herabwürdigung. Etliche Vorwürfe wurden entkräftet, konnten nicht belegt werden oder verliefen im Sande, einige Vorfälle wurden aber auch aufgedeckt. So soll es Belege geben über menschenverachtende Chats und Aussagen von Polizisten, in denen Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder ‘falscher’ Gesinnung verunglimpft, als ‘Ratten’ beleidigt oder gar in Gaskammern gesteckt oder erschossen werden sollen.
So etwas ist nicht lustig und hat bei der Polizei nichts verloren. Doch wie häufig sind derartige Vorkommnisse? Gemäß dem ‘Lagebericht Rechtsextremisten in Sicherheitsbehoerden’ (Archiv), den Innenminister Seehofer Anfang Oktober 2020 vorlegte, liegt die Anzahl der Polizisten und Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, denen extremistische oder rassistische Aktivitäten vorgeworfen werden, im Promillebereich. 350 von 300.000 Mitarbeitern wurden in den vergangenen 3 Jahren auffällig. Interne Untersuchungen zur Aufhellung des Dunkelfeldes wurden eingeleitet. Jeder einzelne dieser Vorfälle ist einer zu viel, aber lässt sich anhand von 0,12 % konkret Tatverdächtigen ein strukturelles Extremismus-Problem bei der Polizei konstatieren?
Die Beantwortung dieser Frage wird nicht dadurch einfacher, dass es in der Tat ein strukturelles Problem bei der Aufklärung von Vorwürfen gegen Polizisten gibt: Vorwürfe gegen Polizisten werden innerhalb des Polizeiapparates von Polizisten untersucht. Hier wäre eine organisatorische Herauslösung von Ermittlungen gegen Polizisten aus dem Polizeiapparat sinnvoll, etwa nach dem Vorbild Dänemarks, das für derartige Fälle eine unabhängige Ermittlungsstelle eingerichtet hat. Eine solche Maßnahme könnte das Vertrauen in die Polizei stärken. Dass auf der anderen Seite aber auch die zunehmenden Aggressionen gegen die Polizei sehr viel konsequenter in den Blick genommen werden müssen, sollte sich in diesem Kontext eigentlich von selbst verstehen…
Frustrierender Alltag der Polizeiarbeit
Polizeiarbeit ist in den zurück liegenden Jahren nicht einfacher geworden. Die Präferierung von Haltung & Gesinnung zu Lasten von Vernunft & Verantwortung in Diskurs & politischer Praxis hat in Deutschland zu einer im europäischen und internationalen Vergleich extrem freizügigen Migrations-Politik geführt und zu einer enormen Polarisierung im Land. Nicht zuletzt aufgrund der unregulierten Zuwanderung vieler hunderttausend junger, kulturfremder, erlebnishungriger, oftmals traumatisierter Männer mit gewaltaffiner Sozialisation sowie mangelhafter Integration haben sich Rivalität und Aggressivität im öffentlichen Raum ausgebreitet. Männerhorden gehören zum Alltagsbild, beinahe täglich liest man in der Lokalpresse von frauenverachtender sexueller Gewalt oder brutalen Attacken mit Fäusten, Fußtritten gegen den Kopf und Messern. Terrorismus ist eine allgegenwärtige Bedrohung.
Clan-Kriminalität wird immer sichtbarer und der Einfluss von Parallelgesellschaften wächst.In quasi No-Go-Areas eskalieren selbst Routine-Kontrollen in unschöner Regelmäßigkeit und müssen mit Hundertschaften abgesichert werden. Umgangston und -sitten bei Auseinandersetzungen und Demos zu diesen und anderen Themen sind rauher geworden. Selbst Mitarbeiter von Behörden und sogar Rettungskräfte und Feuerwehrleute werden immer häufiger verbal und auch körperlich angegriffen. Die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie sorgen zusätzlich für Unmut. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren verändert, viel Vertrauen und Sozialkapital ist verloren gegangen, Frauen fühlen sich nicht sicher, vor allem nachts herrscht an etlichen Orten Angst.
Immer häufiger werden auch Polizisten beschimpft, bespuckt, bedroht und handgreiflich angegangen. Auf frischer Tat ertappte Schläger und Drogendealer grüßen am nächsten Tag oder sogar wenige Stunden darauf hämisch am Tatort. Straftäter, die von daheim eine weitaus härtere Gangart der dortigen Sicherheitskräfte gewohnt sind, empfinden die hiesige Polizei als Trachtentruppe. Die Befürchtung, dass bei Polizisten, die sich Tag für Tag mit Mangel an Respekt und der Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns konfrontiert sehen und zu allem Überfluss von Politik & Medien mal zum Sündenbock gestempelt und mal verspottet werden, der Frust wächst und sich Ventile sucht, ist nicht von der Hand zu weisen.
Neutrale Studie zur Sicherheitslage im Land!
Die Polizei ist ebenso wie die Regierung Teil der Exekutive. Sie ist – um es mal martialisch auszudrücken – de facto der ultimative ‘bewaffnete Arm’ der Exekutive, der dafür zuständig ist, Recht & Gesetz und das staatliche Gewaltmonopol im Innern an der Schnittstelle zwischen Exekutive & Recht auf der einen und der Bevölkerung auf der anderen Seite durchzusetzen. Wenn an dieser Schnittstelle Probleme parallel zu gravierenden Veränderungen in Gesellschaft und Bevölkerungsstruktur auftreten, so ist grundsätzlich zu fragen, ob diese Probleme nicht Symptome darstellen, deren Ursachen durch Entscheidungen auf höherer Ebene gelegt wurden. Um dies zu ergründen, bedarf es einer ergebnisoffenen Studie zum Handeln der Exekutive auf allen Ebenen, die nicht nur Auswirkungen, sondern auch Ursachen von Entwicklungen in den Blick nimmt.
Eine spezifische Studie zu ‘Rechtsextremismus bei der Polizei’ käme einer Vorverurteilung und Stigmatisierung der Polizei gleich. Sie erweckte den Anschein, die Debatte über Rechtsextremismus bei der Polizei soll gemäß den Gesetzmäßigkeiten der Aufmerksamkeitsökonomie dazu dienen, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Fehlentwicklungen aus dem Diskurs herauszuhalten, den Blick auf die Polizei zu fokussieren und ihr den Schwarzen Peter für Missstände zuzuschieben. Es wundert nicht, dass gerade Politiker und Journalisten, welche die jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen maßgeblich vorangetrieben haben, nun am lautesten nach einer speziellen Rechtsextremismus-Studie rufen und sich mit Vorverurteilung und Delegierung von Verantwortung an die Polizei weit aus dem Fenster lehnen.
Wer die Lösung von Problemen anstrebt und nicht nur ein Weiterwursteln durch Schuldzuweisungen rechtfertigen will, kommt um eine ergebnisoffene Analyse des Zustandes der Gesellschaft vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozio-kulturellen Entwicklungen nicht herum. In einer solchen Studie sind Polizeiarbeit und institutionelle Befindlichkeiten ebenso Gegenstand der Betrachtung wie gesellschaftliche Zustände, Einstellungen und politisch induzierte Rahmenbedingungen. Sie nimmt das ‘System Politik & Gesellschaft’ ganzheitlich in den Blick, inklusive der sozialen, kulturellen und politischen Faktoren, die es bestimmen, und nicht nur isoliert die Polizei.
Links:
Lagebericht Rechtsextremisten in Sicherheitsbehoerden (VS | Archiv)
Rechtsextremismus in Behörden Seehofer legt Lagebericht vor (Tagesschau)
Seehofers Lagebericht: Hunderte rechtsextreme Verdachtsfälle in Sicherheitsbehörden (Spiegel)
Bilder:
Bundesarchiv, Bild 102–07717 / Sturkow (a.o.t.) / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE
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