Überblick Gesamtergebnis und Einzelergebnisse.
Die EU-Europa-Wahlen 2019 zum Europäischen Parlament erbrachten in den verschiedenen Mitgliedsländern sehr unterschiedliche Ergebnisse. Christlich- konservative Volksparteien, Sozialdemokraten und linksgerichtete Parteien mussten EU- weit Verluste hinnehmen, Liberale, Grüne und Rechte gewannen hinzu.
Die beiden großen und bislang dominierenden Fraktionen im EU- Parlament, die Christlich-Konservativen (EVP, 24%) und die Sozialdemokraten (S&D, 20%), verloren ihre gemeinsame absolute Mehrheit im Parlament und haben zusammen nur noch rund 44% der Sitze (zuvor 53%). Die drei rechts- konservativen Fraktionen (EKR, EFDD & ENF) kommen zusammen auf 23%, die liberale Fraktion (Alde) auf 14%, die Grünen (Grüne/EFA) auf 9% und die Linken (GUE/NGL) auf 5%.
Insgesamt ist eine Fragmentierung und Verflüssigung der europäischen Parteienlandschaft zu beobachten. Nur wenige Parteien errangen 30% der Stimmen oder mehr. Sowohl Identitäts- und Bevölkerungspolitik und nationale Befindlichkeiten, ökonomische Belange und Gegebenheiten, herausragende Politiker-Persönlichkeiten und mediale Kampagnen insbesondere in Sozialen Netzwerken scheinen bei den Wahlen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Während in Deutschland und Teilen Nordeuropas die medial gepushte Klima-Thematik dominierte, bestimmten im Rest Europas vor allem ökonomische Gründe und die Migrations-Debatte die Wahlen und in Großbritannien der Brexit.
Deutschland: Grüne Hoffnung vs. GroKo des Stillstandes
In Deutschland konnten sich die Grünen als ‘Partei der Hoffnung’ auf Zukunft und bessere Zeiten profilieren und ihre Stimmen auf über 20% fast verdoppeln. Unter den jungen Wählern verbuchten sie sogar 1/3 der Stimmen, während alle anderen Parteien in diesem Segment kaum mehr als 10% der Stimmen erhielten. Dabei dürfte ihnen der Umstand, dass die Grünen, obwohl sie zur Polarisierung im Land erheblich mit beigetragen haben, als unbeteiligt an der gegenwärtigen Politikmisere gelten, ebenso in die Karten gespielt haben wie ihr Verzicht darauf, die konkreten Folgen, die bei Umsetzung ihrer klimapolitischen Visionen auf die Bürger zukommen, zu thematisieren.
Der große Erfolg der Grünen setzt die in Berlin regierenden Parteien der GroKo, der ‘Großen Koalition des Stillstands und der Ratlosigkeit’, unter Zugzwang. Union (29%, minus 6) & SPD (16%, minus 12), verloren fast 1/3 ihrer Stimmen gegenüber der Wahl 2014 und kommen zusammen nur noch auf deutlich unter 50%, sogar unter 45%.
Die AfD stabilisierte sich trotz aller politischen und medialen Anfeindungen und Hetze oft unter der Gürtellinie mit 11% im zweistelligen Bereich. Während sie im Westen heftig unter Druck steht und bestenfalls stagniert, wurde sie im Osten mit über 20% (Sachsen: 25%!) Kopf-an-Kopf mit der Union stärkste Kraft. Der Osten ist blau! Der Herbst mit den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen verspricht Hochspannung!
FDP und Linke kamen jeweils knapp über 5%. 13% der Stimmen gingen an die insgesamt rund 25 Kleinstparteien wie die Satire-Partei ‘Die Partei’, Freie Wähler, Piraten, Tierschutzpartei und andere.
Mittel-, West- und Südeuropa
In Frankreich, Italien und GB konnten jeweils EU- und zuwanderungskritische Parteien oder Bewegungen die meisten Stimmen auf sich vereinen. In Frankreich entschied Marine le Pen mit dem ‘Rassemblement National’ (ehemals ‘Front National’) das mit Spannung erwartete und psychologisch bedeutsame Duell gegen den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron knapp für sich. In Italien wird ein haushoher Sieg mit rund 30% (35%) der Stimmen für die ‘Lega Nord’ von Matteo Salvini erwartet, dem italienischen Innenminister und Hardliner bei der Zuwanderung, und in GB ein vergleichbarer Triumph für die Brexit- Partei (32%), die weitgehend aus der UKIP hervorging, während Tories (9%) und Labour (14%) abstürzen dürften.
In den Niederlanden (18%), Spanien (lt. Umfragen 32%) und Portugal (lt. Umfragen 35%) behaupteten sich hingegen EU- freundliche Sozialdemokraten bzw. Sozialisten. Diese Erfolge dürften nicht zuletzt den beliebten, als engagiert, verantwortungsbewusst und fachlich und menschlich überzeugend eingeschätzten Spitzenpolitikern der jeweiligen Parteien zuzurechnen sein. In den Niederlanden steht den Sozialdemokraten und anderen linksliberalen Parteien eine Phalanx von konservativen und rechten Parteien gegenüber, die zusammen auf über 40% kommen. Die Sozialisten in Portugal gelten als patriotisch.
In Österreich gingen Kanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP (35%) bei den EU- Wahlen gestärkt aus dem ‘Putsch von Wien’ in der Vorwoche hervor und verzeichneten deutliche Stimmengewinne. Die vermeintlichen Drahtzieher des Putsches, die u.a. im engeren oder erweiterten Umfeld oder Sympathisantenkreis der SPÖ (24%) vermutet werden, konnten aus ihrem Coup, die beim Volk beliebte Regierungskoalition zu stürzen, hingegen kein Kapital schlagen und verloren leicht. Die skandalgeplagte rechtsgerichtete FPÖ (18%) verlor einige Prozentpunkte, konnte aber den befürchteten Absturz vermeiden.
Osteuropa
In Osteuropa, das von der EU durch üppige Transferleistungen enorm profitiert, bilden EU- Begeisterung und Zuwanderungskritik anders als in Westeuropa keinen Gegensatz, sondern eine natürliche, nämlich ökonomisch- identitätspolitische Einheit. Diese Haltung findet ihren politischen Ausdruck im Zusammenschluss der ‘Visegrad-’ Staaten, der sich bislang allen Bemühungen aus Brüssel, die EU-Zugehörigkeit an die Bereitschaft zur Aufnahme von Migranten aus Nahost und Afrika zu koppeln, erfolgreich widersetzte.
Endergebnisse aus Osteuropa liegen noch nicht vor, Umfragen lassen aber erwarten, dass etwa die europafreundlichen, aber zuwanderungskritischen Regierungsparteien PIS (Polen) und Fidesz (Ungarn) sich mindestens gut behaupten können. Unübersichtlicher ist die Lage in Tschechien und der Slowakei sowie in Bulgarien und Rumänien.
Nordeuropa
In Schweden dürften sich die Sozialdemokraten bei knapp 25% stabilisieren. Gemeinsam mit den Grünen und den Sozialisten haben sie ein etwa ebenso großes politisches Gewicht wie die beiden bürgerlich- konservativen Parteien der Christdemokraten und der Moderaten Sammlungsbewegung zusammen mit den rechtsgerichteten Schwedendemokraten. Das Zünglein an der Waage ist dort die bürgerlich-liberal-grüne Zentrumspartei.
In Dänemark landeten die Sozialdemokraten mit 22% knapp vor der rechts- konserativen ‘Venstre’ (20%). Die bei den Wahlen von 2014 noch mit Abstand stärkste Partei, die rechtsgerichtete dänische Volkspartei, stürzte hingegen regelrecht ab und verlor die Hälfte ihrer Stimmen. Mit 13% kam sie nur noch auf den dritten Platz. Allerdings ist anzumerken, dass die Sozialdemokraten ihren Kurs in der Migrationspolitik deutlich Richtung Vernunft und soziale Verantwortung korrigiert und sich dabei eine Menge von der ‘Dansk Folkeparti’ abgeschaut haben. Zuwanderer sind in Dänemark willkommen, aber nur, wenn sie Bereitschaft zeigen, sich zu integrieren und beizutragen. Die Grenze zu Deutschland wird seit Merkels ‘open-borders’- Politik kontrolliert.
In Finnland legten die Grünen fast ebenso wie in D kräfig um 7% zu und wurden mit 16% zweitstärkste Kraft hinter der national-konservativen Sammlungspartei mit 20%. Sozialdemokraten und die rechtsgerichteten ‘Wahren Finnen’ behaupteten sich gut bei jeweils knapp 15% Stimmenanteil, während das bäuerlich-liberale Zentrum 6% verlor und mit gut 13% nur noch auf Platz 5 rangiert. Auch die Kommunisten verloren 2% und kamen auf 7%.
Links:
EU-Europa-Wahl mit Links zu den Landesergebnissen (Wiki)
Verzwergung & Vergreisung von Union und SPD (NHP)
Desaster bei Europawahl: Diese GroKo hat fertig (Welt)
Titelbild:S. Solberg J., Kolja21, Masterdeisderivative work: Kolja21 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
Hinterlassen Sie den ersten Kommentar