Aufregung um Framing- Manual der ARD
Einige sind nun sauer auf die Sprach- und Kognitions- Wissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die im Auftrag der ARD ein Framing- Manual erstellt hat. Ball flach halten, rate ich! Wehling hat lediglich ein wissenschaftlich fundiertes Handbuch erstellt, in dem sie erläutert, wie man mit Hilfe von sorgsam ausgewählten sprachlichen Rahmen (Frames) die Einstellung der Zuhörer bzw. Zuschauer zu Themen, Sachverhalten und Begriffen beeinflussen kann (»Framing).
Dagegen ist erstmal nicht das Geringste einzuwenden! Der Forscher, der Erkenntnisse gewinnt und vermittelt, ist ebenso wenig wie der Bote, der Nachrichten überbringt, dafür verantwortlich, wie der Anwender damit umgeht, was er daraus macht und wozu er die Informationen nutzt.
Stutzig macht jedoch der Umstand, dass die per Staatsvertrag zur Aufklärung, neutralen Berichterstattung und Information der Bürger verpflichteten Öffentlich- Rechtlichen diese Erkenntnisse und kommunikativen Techniken, wie es aussieht, offenbar für sich behalten wollten, sonst hätten sie sich ja nicht so darüber erregt, dass der Vorgang und das Gutachten öffentlich wurden. Wollte die ARD den Framing-Leitfaden etwa als eine Art Herrschaftswissen nutzen und für Beeinflussung und Erziehung oder gar Manipulation und Umerziehung der Gebührenzahler missbrauchen oder tut sie das schon längst, wie einige vermuten? Das wäre ja gerade so, wie wenn ein Anwalt gegen seinen Mandanten intrigiert!
Der mündige Bürger und Zwangsgebührenzahler sollte durchaus von den öffentlich- rechtlichen Funk- und Fernsehanstalten erwarten können, dass diese das interessante, spannende und in diesen Tagen unkonventioneller, wenn nicht gar fragwürdiger politischer Entscheidungen enorm bedeutsame Thema Framing im politischen und medialen Diskurs gemäß ihres Aufklärungs- und Informations- Auftrages offensiv kommunizieren, analysieren und erläutern und damit den Hörern und Zuschauern Mittel und Möglichkeiten an die Hand geben, die kommunikativen Tricks & Techniken von Politik und Medien zu durchschauen und sich dagegen zu immunisieren. So empfiehlt es Wehling ja auch auf ihrer Website.
Framing: ARD Papier sorgt für Diskussion
Verantwortungsvoller Umgang mit Framing
Was den verantwortungsvollen Umgang mit dem Framing- Manual anbelangt, liegt der Ball also in der Spielfeldhälfte der Öffentlich- Rechtlichen. Und ebenso, was das Honorar betrifft. Qualität, Form und Umfang des Gutachtens hin oder her: Niemand hat die ARD gezwungen, insgesamt 120.000 Euro (90.000 Euro für das Manual, 30.000 Euro für Workshops) dafür auf den Tisch zu legen. Interessant ist immerhin der Aufschluss darüber, wofür die ÖR 120.000 Euro ausgeben sowie die Erkenntnis, was mit den Zwangsgebühren geschieht, außer Intendanten und Mitarbeiter mit Spitzengehältern (?) und Spitzenpensionen von 17.000 Euro im Monat zu bedenken. Und der Vorgang liefert auch einen Hinweis darauf, warum die ARD höhere Gebühren benötigt und sie notfalls sogar einklagen will.
Dass nicht nur die anderen, wie die ÖR es gerne darstellen, sondern mindestens ebenso sehr auch sie selbst schon seit langem zu kommunikativen Framing- Techniken greifen, dieses Eindrucks kann sich der aufmerksame Rezipient allerdings kaum erwehren: So mutet das konsequent der AfD angehängte, wenig schmeichelhafte Attribut ‘rechstpopulistisch’ nicht wirklich neutral an, zumal inzwischen jeder weiß, dass alle Parteien populistisch kommunizieren und agieren und das Attribut daher auch jeder anderen Partei angehängt werden könnte. Warum nur der AfD? Wenn Populismus einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen bedeutet, was ist dann populistischer als Leerformeln wie ‘Wir schaffen das’ oder ‘Sie kennen mich’?
Hyperion stellt das Overton Diskurs- Fenster vor [Ersatzlink]
Auch die in Tagesschau und Tagesthemen gezeigten Filme und Bilder im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, die vorwiegend Familien, Frauen und Kinder zeigen, spiegeln weniger die Realität denn die Absichten der Nachrichtenredaktionen. Ebenso wie die wundersame Wandlung des Begriffs Asylbewerber über -> Flüchtling und -> Geflüchteter hin zu -> Schutzsuchender und -> Schutzbedürftiger. Und beruht die geradezu inflationär verwandte, positiv konnotierte Begriffstriade ‘Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz’ auf spontaner Eingebung oder wurde sie vielleicht mit Sorgfalt und Akribie im Sprachlabor designed, wenn auch nicht unbedingt von den ÖR?
‘Framing’ birgt aber auch Risiken. Wenn der Begriff nicht zum bezeichneten Gegenstand oder zur bezeichneten Person passt, der ‘Schutzbedürftige’ sich als gewalttätiger Messermann oder Sexgangster erweist und die gastgebenden einheimischen Frauen und Männer wie in Köln und anderswo plötzlich selbst des Schutzes vor den angeblich Schutzsuchenden bedürfen oder wenn die versprochene bunte Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz nicht mit den real existierenden Alltagserfahrungen in der Innenstadt, auf dem Schulhof, in der Disco oder im Park übereinstimmen, sondern sich als Ignoranz, Einfalt und Intoleranz erweisen, besteht die Gefahr, dass der Schöpfer oder Verwender des ‘Frames’ seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das ist in den vergangenen Jahren allzu häufig passiert.
Interview mit Elisabeth Wehling (‘Willkommenskultur’ ab 9:57)
Auch die Wortschöpfung ‘Willkommenskultur’ erweist sich im Nachhinein als problematisch. Im obigen Video zeigt Wehling auf, dass der Begriff, der nach meinen Recherchen übrigens erstmals im CDU- Regierungsprogramm 2013 auftauchte – welch ein Zufall! – zu kurz gedacht ist. Denn er schafft zwar ein Klima der Aufnahmebereitschaft, gibt aber keinerlei Auskunft und Orientierung darüber, wie es denn jetzt weitergehen soll und kann, da all die lebens- und liebeshungrigen jungen Männer nun mal da sind. Zeugt der Begriff also von Planlosigkeit in Politik und Medien, ging es um Überrumpelung? Hat man sich womöglich gar keine Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll und vor allem kann?
Links:
Medien und ihre Macht der Manipulation (Rhetorik.ch | Ersatzlink)
Titelbild: User:FA2010 [Public domain], via Wikimedia Commons
Hinterlassen Sie den ersten Kommentar