Staatsfunk im Funkloch, Papierkrieger am Pranger
3) Erinnert sei an die implizite Behauptung, die bei nahezu jeder medialen Berichterstattung zur Flüchtlingskrise mitschwang: Dass es doch eine moralische und humanitäre Großartigkeit sei, Menschen aus dem Nahen- und Mittleren Osten sowie aus Afrika in der weit entfernten Hochpreisregion Mitteleuropa zu helfen – und damit den Großteil unserer Hilfsressourcen auf extrem wenige Menschen zu konzentrieren, die dazu auch noch vergleichsweise wenig hilfsbedürftig sind. Dabei gab es von Anfang an sehr gute Gründe, unsere aktuelle Flüchtlingspolitik unter moralischen und humanitären Gesichtspunkten für die zweitschlechteste Form der Flüchtlingshilfe zu halten. [2]
Wenn aber von deutschen Leitmedien so einseitig [3] zugunsten der Flüchtlingspolitik berichtet wird, und wenn dabei nahezu alle Positionen und Warnungen als „rechtspopulistisch“ stigmatisiert werden, sobald sie die Flüchtlingspolitik in Frage stellten, obwohl sich im Nachhinein vieles davon als zutreffend, mindestens aber als durchaus vertretbare Standpunkte erwies, dann hat der Vorwurf „Staatsfunk“ eine gewisse Berechtigung.
Aber anstatt sich diesen Vorwürfen selbstkritisch zu stellen, als die Realität „rechtspopulistische“ Befürchtungen und Warnungen zu bestätigen begann, entledigten sich besonders die öffentlich-rechtlichen Meinungsmacher auch der letzten Reste journalistischen Anstands – ganz nach dem Motto: Vorwärts immer, Rückwärts nimmer! [4]
Fußnoten
[1] Website der AGRA (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse) und Facebook-Präsenz des DJV (Deutscher Journalisten-Verband). Siehe auch Website des DJV.
Die #Journalisten der öffentlich-rechtlichen Sender haben einen Appell an ihre Zeitungskollegen gestartet: Sie sollen endlich die Diffamierung von ARD & ZDF als “Staatsfunk” beenden. -> https://goo.gl/2p1t62
Gepostet von Deutscher Journalisten-Verband am Donnerstag, 2. November 2017
[2] Einer Schätzung zufolge sind derzeit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Von diesen 60 Millionen Flüchtlingen helfen wir hier in Mitteleuropa einer ganz besonderen kleinen Gruppe: Nämlich jenen, die ERSTENS physisch und finanziell in der Lage sind, einen kräftezehrenden und kostspieligen Weg nach Mitteleuropa auf sich zu nehmen, und die ZWEITENS entweder dazu bereit sind, ihre Familien zurück zu lassen, oder aber bereit sind, ihre Familie dem Risiko eines langen Weges nach Mitteleuropa auszusetzen.
Im Gegensatz zu dieser kleinen Gruppe ist für wirklich hilfsbedürftige Menschen in Afrika sowie im Nahen- und Mittleren Osten der Weg nach Mitteleuropa eine ebenso realistische Option wie für uns der Flug zum Mond. Mit wem, was wir hier in Mitteleuropa für EINEN Flüchtling ausgeben (seriösen Schätzungen zufolge sind es insgesamt über 450 000 Euro pro Flüchtling!*) ließe sich vor Ort die Hilfe für zig-mal mehr hilfsbedürftige Menschen finanzieren!
Diese Tatsache lässt sich auch nicht durch die Forderung relativieren, „wir sollten das eine tun (Flüchtlinge in Deutschland für viel Geld versorgen), ohne das andere zu lassen (Menschen vor Ort zu helfen)“. Dies bleibt solange ein unseriöses Scheinargument, so lange viele Millionen Flüchtlinge um ihr blankes Überleben kämpfen müssen, und solange weltweit jedes Jahr 5 Millionen Kinder im Alter von unter 5 Jahre sterben, weil ihnen medizinische Versorgung oder Nahrung im Gegenwert von wenigen Euro fehlt.
* Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen kommt zu dem Ergebnis, «dass jeder Flüchtling in seiner Lebenszeit per saldo 450 000 Euro kostet». Bei zwei Millionen Zugewanderten bis 2018 summiere sich das auf Gesamtkosten von 900 Milliarden Euro. (Flüchtlingskosten sind ein deutsche Tabuthema, NZZ)
Diese Kosten könnten sich unter Umständen auf über 700 000 Euro pro Flüchtling erhöhen: „Sollte auch die zweite Generation nicht ähnlich gut in den Arbeitsmarkt integriert sein wie der einheimische Nachwuchs, drohe sogar ein Anstieg der Kosten auf bis zu 1,5 Billionen Euro.“ (Welt)
[3] Vgl. dazu: Die Erfindung der Willkommenskultur (Cicero) Diese Studie untersuchte zwar nur Artikel deutscher Tageszeitungen, lässt sich aber durchaus auch auf die journalistische Arbeit der öffentlich-rechtlichen Medien übertragen.
[4] Dazu hier nur ein Beispiele von vielen: Das genau gegensätzliche Vorgehen der ARD beim Mord an Khaled Idris Bahray in Dresden und dem Mord an Maria L. In Freiburg: Die Tagesschau rechtfertigte den Verzicht auf einen Bericht zum Mordfall Maria L. wie folgt: „Dieser Kriminalfall […] eine regionale Bedeutung. Die Tagesschau berichtet überregional, als Nachrichtensendung für ganz Deutschland. Darüber hinaus haben die Ermittlungsbehörden die Presse von der Festnahme eines Tatverdächtigen in Kenntnis gesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung.“ Post der Tagesschau dazu auf facebook:
Im Fall der toten Freiburger Studentin hat die Polizei einen 17-Jährigen festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft.…
Gepostet von tagesschau am Samstag, 3. Dezember 2016
Offensichtlich sieht die Tagesschau-Redaktion aber durchaus ein überregionales Interesse, sobald Mordopfer und vermutete Täter die richtige politische Botschaft zu vermitteln helfen: Nur auf der Basis unbewiesener Vermutungen, die von der Polizei nicht bestätigt wurden (und sich später als falsch erweisen sollten), berichtete die ARD über eine eindeutig politische Demonstration zum Mord an Khaled Idris Bahray. In der Zeit erschien ebenfalls ein Artikel darüber.
Wie unehrlich die Begründung der Tagesschau tatsächlich war, wird deutlich, wenn man sich anschaut, welche Meldungen der Tagesschau ansonsten wichtig erscheinen. Etwa ein Mord in England (Focus)
[Ein Gastkommentar von Stephan Eissler]
Titelbild: Pete Souza [Public domain], via Wikimedia Commons
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