[Gastbeitrag] Helden sind Popstars, Fußballer, Heerführer, Lebensretter, Märtyrer. Charismatische Persönlichkeiten. „Von edlem Gemüt und stolzer Gestalt“ hätte man wohl früher gesagt. In vielen Gesellschaften gilt das noch. Nicht bei uns. Die uns in einer täglichen medialen Lithurgie aufgetragene Pflicht Buße zu tun, für das vergangene, das gegenwärtige und all das kommende Leid auf Erden, ist uns als Deutsche in Fleisch und Blut übergegangen. Deutsche Gesichter sind mehr denn je Betroffenheitsgesichter. Deutsche Straßen sind ernste Straßen. Die deutschen unter den Helden können keine anderen sein als die Diskriminierten, Unterdrückten, Benachteiligten, zu Integrierenden. Die Außenseiter und Dissidenten dieser Welt. Sie allein sind unser Auftrag.
Nicht zum Helden dagegen taugen die vielen namen- und gesichtslosen Getöteten. Sie haben ihren Wert für uns als Helfende verloren. Und so gewinnt ein anderer unsere Aufmerksamkeit. Der Täter. Die höchsten moralischen Weihen erlangt, wer sich ihm zuwendet. Unter den Tätern wiederum ragt der Mörder noch hervor. Er bildet als der zum Bösen Verdammte die faszinierendste Spezies unter den Opfern. Er verkörpert das Faustische in uns. Die Identifikation mit dem Mörder verspricht subtile Bewunderung durch den bloßen Instinktmenschen, der sich alsbald vor dem erhabenen Intellekt desjenigen zu verneigen beginnt, der dem Mörder beizustehen wagt.
Es ist daher immer der Mörder, dem wir ein Gesicht geben, der in Erinnerung bleibt. Dem wir attestieren “dass durchaus auch wir selbst” an seiner statt hätten töten können. Wir zeichnen akribisch seinen Lebensweg nach, wir durchforsten seine Psyche und wir finden was wir in seinem offenbar unabwendbaren Schicksal suchen. Unsere eigene Schuld. Am Ende wissen wir – es musste geschehen, was geschehen ist. Weil wir es als kaltherzige, im Konsumrausch Erblindete nicht verhindert haben. Als Belohnung winkt ein Moment innerer Erhabenheit. Die plötzlich gefühlte Weite des eigenen, sonst so engen Herzens. Wehe dem, der dem Altruisten in diesem heiligen Augenblick zu nahe kommt. Doch schon bald treibt es den Kasteiten weiter, denn seine Schuld darf nicht enden.
Ob dieses, in einer wahnhaften Überzeichnung verzerrte, christliche Leitbild sich irgendwann von der gemeinten Liebe und wunderbaren Barmherzigkeit soweit entfernt, dass es sich für eine ganze Gesellschaft in eine latente Todessehnsucht verwandelt, bleibt zu fragen. [Gastbeitrag]
Autor: Rocco Burggraf
Bilder:
Henry Fuseli [Public domain], via Wikimedia Commons
Arthur Rackham [Public domain], via Wikimedia Commons
After Paul Fredericq [Public domain], via Wikimedia Commons
der mensch ist auch bloß ein tier, dass wie die Thompson Gazelle den ganzen tag mit revierkämpfen beschäftigt ist und so am abend leichte beute beute der löwen wird—-die befreiung der menschheit von der modernen sklavengesellschaft/lohnsklaven ist der schlüssel zum aufrechten gang