2. Außenpolitik und Verhältnis zur Türkei
Auch im weiteren Verlauf des Duells – einem Spötter der Washington Post erschien das Stück mehr als Duett – überwogen Alternativlosigkeit und Konsens, so bei den Themen EU, Trump oder Nordkorea.
In Sachen Türkei unternahm Schulz dann aber doch einen Vorstoß, der überraschte: Er kündigte an, sich in der EU dafür einzusetzen, die Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt abzubrechen. Nachdem Angela Merkel die SPD in der Vergangenheit ja hin und wieder schon mal links überholt hatte, kann man das wohl als eine Art Überholmanöver von rechts betrachten, denn Schulz übernahm damit eine ehemalige Merkel- und vor allem CDU-Position, von der seine Kontrahentin sich und ihre Partei in den vergangenen Jahren behutsam gelöst hatte.
Die Kanzlerin wirkte zunächst düpiert, band den nach den Entwicklungen der vergangenen Monate naheliegenden Vorschlag dann aber doch recht geschickt in großkoalitionäre und EU- Zusammenhänge ein, so dass auch hier die Positionen am Ende nahezu identisch waren.
3. Soziale Gerechtigkeit
Einen weiteren kleinen Coup landete Schulz beim Thema Soziale Gerechtigkeit. Es gelang ihm, der Kanzlerin das Versprechen abzunehmen, dass eine weitere Verschlechterung des ohnehin schon miserablen, nämlich keinerlei Änderungen vorsehenden Rentenkonzeptes der Union nicht geplant sei. ‘Eine Rente mit 70 werde es mit ihr nicht geben’, meinte die Kanzlerin sinngemäß. Wobei man nach den Erfahrungen der Vergangenheit, etwa mit der Maut, ja nicht so genau weiß, ob das nicht eher als Drohung denn als ein Versprechen zu verstehen ist.
Da die SPD – im Gegensatz zur Linken – aber selbst ja auch über kein wirklich bahnbrechendes Rentenkonzept verfügt, sondern den Status quo nur mit Hilfe von Steuergeldern stabilisieren will, statt mit Struktureformen nach Schweizer, österreichischem oder niederländischem Vorbild eine nachhaltige und sozial gerechte Alterssicherung anzustreben, wie sie für einen solidarischen Sozialstaat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, konnte Schulz auch hier nicht mehr als ein Pyrrhus-Sieg einfahren.
Kaum ein Randthema waren die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich oder die vor kurzem noch großmundig von der SPD angekündigten Hartz IV Reformen.
4. Diesel
Blieb der vielen Beteiligten zunehmend stinkende Diesel, insbesondere derjenige älterer Bauart: Der Atemluft in den Städten stinkt er, den Haltern, den Belegschaften wie dem Management der Autokonzerne. Nur den Politikern und den staatlichen Medien dürfte er in den vergangenen Monaten womöglich doch nicht so ungelegen gekommen sein, lenkte er doch prima von heikleren Fragestellungen ab. Ein Gesetzentwurf für Sammelklagen bzw. Musterfeststellungsklagen, welche die rechtliche Position der Verbraucher gegenüber der Automobilindustrie entscheidend verbessern könnte, wurde vom SPD-Justizminister Heiko Maas auf den Weg gebracht und liegt nun beim Kanzleramt. Merkel verlautbarte, sie sei im Prinzip dafür, es müssten nur noch ein paar Dinge geklärt werden. Aber ein richtiges Versprechen, dass das auch klappen wird, klingt anders.
5. Innere Sicherheit
Nicht sehr ergiebig war auch das Thema Innere Sicherheit. Was sollen die Kandidaten dazu auch sagen? Außen-, Innen-, Integrations- sowie Asyl- und Einwanderungspolitik haben Strukturen geschaffen, die erwarten lassen, dass dieses Thema der Gesellschaft auf unabsehbare Zeit erhalten bleiben dürfte, zumal auch beim Thema Abschiebungen von Straf- und Gewalttätern sowie Gefähdern kein wirkliches Problembewusstsein, geschweige denn ein Sinneswandel erkennbar war.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass mit dem zu erwartenden Einzug von AfD und FDP in den kommenden Bundestag vielleicht doch wieder mehr Sinn für ordnungs- und sicherheitspolitische Erfordernisse und rechtsstaatliches Bewusstsein einkehren wird. Denn öffentliche und soziale Sicherheit sind nun mal ein Ding, egal, ob man es aus konservativer, liberaler oder sozialistischer Perspektive betrachtet.
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Links
Das große Nicken (NZZ)
Merkel gegen EU-Beitritt der Türkei (DWN)
Titelbild(er):
1) von Michael Weiss, Germany (Eigenes Werk) [CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons
2) By Tobias Koch (OTRS) [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
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