Rechts wird in diesen Tagen als unmoralisch und böse dargestellt, links als moralisch und gut. Dabei bilden rechts und links eine sinnvolle und notwendige, sich gegenseitig ergänzende und vervollständigende dialektische Einheit, um die Balance zwischen dem Streben nach Eigenwohl und dem nach Gemeinwohl / Fremdwohl und dem Respekt vor dem Eigenen und dem vor dem Gemeinschaftlichen / Fremden zu wahren.
Niemand kann in zwei rechten oder zwei linken Schuhen laufen. So wie erst ein rechter und ein linker Schuh gemeinsam ein vollständiges Paar Schuhe ergeben, in dem man das Gleichgewicht halten und vorankommen kann, so vervollständigen der Sinn fürs Eigenwohl und der Sinn fürs Gemeinwohl den einzelnen Menschen und ebenso eine ganze Gesellschaft. Nur wer sich selbst achtet, kann auch andere Menschen achten und wer sich selbst hasst, der hasst auch alle Welt. Zugleich sind rechts und links Antagonisten, die einander zügeln und vor Einseitigkeit und Übertreibung bewahren.
Links & Rechts – Grundschema
gleich – ungleich (egalitär – elitär)
verändern – bewahren (progressiv – konservativ)
Gemeinwohl – Eigenwohl (gemeinwohlorientiert – eigenorientiert)
Wichtig dabei: rechts und links sind in diesem Ansatz reine Um- bzw. Zuschreibungen, ohne dass damit Wertungen verbunden sind. Beide Haltungen haben grundsätzlich ‘moralische’ Berechtigung.
Linksextrem – Rechtsextrem – ausbalancierte Mitte
Linksextrem bedeutet, Ungleiches gleich zu behandeln, rechtsextrem bedeutet Gleiches ungleich zu behandeln. Die Position der Mitte ist, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Position der Mitte ergibt sich aus dem Diskurs.
Linksextrem bedeutet, alles Tradierte zu verändern, rechtsextrem bedeutet, alles Tradierte zu bewahren. Die Position der Mitte ist, Bewährtes zu bewahren und Überholtes zu verändern. Die Position der Mitte ergibt sich aus dem Diskurs.
Linksextrem bedeutet, nur das Gemeinsame oder gar nur das Fremde zu schätzen (oder so zu tun), rechtsextrem bedeutet, nur das Eigene und sich selbst zu schätzen. Die Position der Mitte ist, beides unvoreingenommen und angemessen wertzuschätzen, das eine übernehmen, das andere verwerfen und insgesamt einen Ausgleich von Interessen gemäß des Prinzips ‘Geben & Nehmen’ anzustreben.
Antagonismus und Interessenausgleich
Das rechts-links- Grundschema stellt zunächst einmal zwei antagonistische Haltungen dar, die zur legitimen Vertretung individueller, partikularer oder gemeinschaftlicher Interessen dienen. Links und Rechts sind damit These und Antithese, die im Idealfalle zu einem (gesellschaftlichen) Diskurs führen, in dem gemeinsam eine Synthese zum Zwecke eines Interessenausgleichs auf der Skala zwischen diesen beiden Polen entwickelt und markiert wird. Denn: Es gibt kein Eigenwohl ohne Gemeinwohl und kein Gemeinwohl ohne Eigenwohl.
Eigenwohl wie Gemeinwohl sind insbesonder bei geselligen Hordenwesen wie dem Menschen gleichermaßen von Belang, bei Einzelgängern wie etwa Wildkatzen ist das Interesse am Gemeinwohl temporär auf die engste Familie bzw. die Nachkommen beschränkt, bei staatenbildenden Lebewesen wie Bienen und Ameisen stellt sich die Frage, inwiefern es über Instinktverhalten hinaus einen Sinn fürs Eigenwohl überhaupt gibt. Herdentiere wie Bisons sind vermutlich zwischen Horden und Staatenbildenden einzuordnen.
Instrumentalisierung
Das rechts- links- Schema wird in der Praxis gerne nach Art eristischer Dialektik politisch instrumentalisiert, um Macht, Einfluss, Diskurshoheit, Privilegien und Pfründe zu behaupten oder zu erobern. Zu diesem Zwecke werden die gegnerischen Positionen ins Extreme verzerrt und auf die Spitze getrieben, um Menschen und Gruppen gegeneinander aufzuwiegeln oder um Gesellschaften, Völker und Völkergemeinschaften zu spalten.
Darüber hinaus werden die Begriffe historisch falsch dargestellt oder verknüpft, bedeutungsschwanger emotional aufgeladen und als unvereinbare Gegensätze verabsolutiert, statt das Rechts- Links- Schema als eine Skala zu betrachten, die zwei Pole miteinander verbindet, deren ‘goldene Mitte’ realitätsorientierte Politik anstrebt. So werden Ängste erzeugt und der politische Gegner dämonisiert. Das kann man endlos und ins Absurde treiben.
Die Motive dafür sind in der Regel, dass a) eine oder beide Seiten nicht an einem einvernehmlichen Ausgleich von Interessen interessiert sind und daher den fairen Diskurs verweigern oder dass b) Dritte sich von einer solchen Spaltung durch Polarisierung eine Dividende versprechen, als Zünglein an der Waage oder als Profiteur ökonomischer, sozialer, politischer oder ideologischer Spannungen, Ungleichgewichte und Verwerfungen.
Wer den Diskurs zwischen Bewahren und Verändern ausschließlich oder überwiegend polemisch führt, verhält sich genuin anti-aufklärerisch.
Anekdotisches
Ja nach real existierender Gesellschaftswirklichkeit können Rollen und Zuschreibungen sich ins Gegenteil verkehren. So kann der verwirklichte (Ur-) Kommunismus konservativ oder reaktionär sein, der Konservatismus im Liberalismus oder der Liberalismus im Sozialismus hingegen progressiv und emanzipatorisch.
“Die Deutschen haben eine Besessenheit, jede Sache so weit zu treiben, bis eine böse daraus geworden ist.” (Zitat G.B. Shaw)
Henryk M. Broder: ‘Die Linke hat einen Bedarf an Nazis, da das der einzige Kitt ist, der die Linke noch zusammenhält.’ (Es ist die einzige Legitimation der Linken, die längst Teil des Establishments ist). Broder zitiert Johannes Gross: ‘Je länger das 3. Reich zurück liegt (tot ist), umso heftiger wird der Widerstand gegen Hitler und die seinen.’ Und genau das erleben wir. Es findet zur Zeit eine unglaubliche Verharmlosung des Nazi- Begriffes statt. Wenn die Nazis so gewesen wären wie heute die AfD und Rechtskonservative, dann wäre die Geschichte anders gelaufen.’ (Quelle: YouTube Video)
Strauß gegen Wehner – Rivalen der Geschichte (ZDF info)
Links:
Politisches Spektrum (Wikipedia)
Moderne Hexenverfolgung: Der „Kampf gegen Rechts“ (Philosophia P.)
Aktualisiert: 2018-12-07
Titelbild: Ilya Repin – Cossacks… (Wikimedia)
[…] Links & Rechts […]
Die ganze Debatte um Rechtsextreme bei der AfD ist ein Ablenkungsmanöver von den realen Problemen, die es im Land und global gibt und die definitiv nicht von Rechtsradikalen verursacht sind. Rechtsradikale sind immer ein Symptom. Mal ganz abgesehen davon, dass nationaler, nämlich auf eine Gesellschaft und einen Raum begrenzter Sozialismus etwas völlig anderes ist als das, was mit dem Nationalsozialismus des 3. Reiches gemeinhin assoziiert wird und nun medial damit verknüpft werden soll. Hilter und das 3. Reich sind definiert durch ‘Lebensraum im Osten’, Holocaust und ‘Herren- und Untermenschen’. Nationaler Sozialismus diente als Köder für diese Ideologie, so wie die Nazi-Keule und das 3. Reich heute dazu benutzt werden, um Alternativen zu menschenverachtenden neoliberalen Ideologien zu delegitimieren.
http://recentr.com/2018/11/30/die-zirkulaere-logik-der-radikalen-afd-saboteure/
Die wenigsten sind sich im Klaren darüber, was überhaupt rechte Positionen sind. Verkürzt ausgedrückt besteht der Links – Rechts Gegensatz in den Begriffspaaren gleich – ungleich, verändern – bewahren, Fremdbezug – Eigenbezug. Jeweils in der von aufgeklärter Vernunft bestimmten Mitte der Gegensatzpaare verläuft die Ideallinie menschlicher Existenz und gesellschaftlicher Koexistenz.
Die deutsche ‘Rechts- Paranoia’ ist zwar nach dem 3. Reich nachvollziehbar, aber ebenso verderblich wie die ‘Links-Paranoia’ zu jenen unseligen Zeiten. Rechts ist der legitime und für einen demokratischen Diskurs notwendige Antagonist zu Links. Wenn der fehlt, gerät eine Gesellschaft aus der Balance. Das erleben wir gerade. Wir sind im Spiegelbild unserer eigenen Geschichte gefangen.