Rechts Links Dialektik.
Rechts wird in diesen Tagen als unmoralisch und böse dargestellt, links als moralisch und gut. Dabei bilden rechts und links eine sinnvolle und notwendige, sich gegenseitig ergänzende und vervollständigende dialektische Einheit, um die Balance zwischen dem Streben nach Eigenwohl und nach Gemeinwohl / Fremdwohl und den Respekt vor dem Eigenen und den vor dem Gemeinschaftlichen / Fremden zu wahren.
Niemand kann in zwei rechten oder zwei linken Schuhen laufen. So wie erst ein rechter und ein linker Schuh gemeinsam ein vollständiges Paar Schuhe ergeben, in dem man das Gleichgewicht halten und vorankommen kann, so vervollständigen der Sinn fürs Eigenwohl und der Sinn fürs Gemeinwohl den einzelnen Menschen und ebenso eine ganze Gesellschaft. Nur wer sich selbst liebt und achtet, kann auch andere Menschen lieben und achten und wer sich selbst hasst, der hasst auch alle Welt. Zugleich sind rechts und links Antagonisten, die einander zügeln und vor Einseitigkeit und Übertreibung bewahren. (Hier meine aufgeklärte Definition von links & rechts)
Implementierung von Schuldgefühlen
Die Diskreditierung und Tabuisierung der Sorge ums Eigenwohl erfolgt durch Implementierung von ungerechtfertigten Schuldgefühlen, die das im Wesen des Menschen verankerte Gerechtigkeitsempfinden aushebeln. Schuldgefühle sollen das Streben nach Eigenwohl angesichts der vermeintlichen Schuld, die man auf sich geladen hat, als ‘unrecht’ oder ‘ungerechtfertigt’ brandmarken und damit bereits im Keim ersticken, nämlich im eigenen Gemüt. Im Christentum diente die angeblich angeborene Erbsünde diesem Zweck, im Zeitalter der (Semi-) Aufklärung werden gerne historische Untaten von Eliten oder Vorfahren wie der Holocaust und der Kolonialismus oder vermeintlich ungerechte kultur-evolutionäre historische Strukturen wie das Patriarchat vergemeinschaftet und auf die Nachfolgegenerationen übertragen und mehr oder minder subtil in persönliche Schuld übersetzt, die es abzubüßen gelte. Bereits vor dem Christentum oder parallel dazu übliche Opferkulte legen nahe, dass die Implementierung von Schuldgefühlen ein wesentliches Element in der menschlichen Kultur (insbesondere wohl bei den inner- und intergesellschaftlichen Verteilungskämpfen) darstellen.
Da gemäß der Aufklärung Schuld und Verantwortung eindeutig voneinander abgrenzbar sind – Schuld beruht stets auf persönlichem Handeln, Verantwortung ist eine allgemeine Forderung an jedermann – wird zum Zwecke der Vergemeinschaftung und Übertragung künstlich eine Grauzone zwischen Schuld und Verantwortung geschaffen, in der das eine in das andere übergeht und beides nur noch mit erheblichem intellektuellem Vermögen und Aufwand voneinander zu unterscheiden ist. Der Slogan ‘Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten’ ist ein prominentes Beispiel für die absichtsvolle Vergemeinschaftung von Schuld und das Vermengen von Schuld und Verantwortung. Denn wer ‘sät’ Waffen und wer ‘erntet’ Flüchtlinge? Und wer hat Schuld und wer trägt die Folgen? Es sind jeweils nicht die selben!
‘Tiefe’ Schuld: Vermischen von Schuld und Verantwortung, hier am Beispiel des Kolonialismus: Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem 48. Weltwirtschaftsgipfel in Davos, 24. 01. 2018 [Ersatzlink] [ganze Rede]
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Wem nutzen Schuldgefühle?
Die moralische Diskreditierung und Tabuisierung der Sorge ums Eigenwohl hat einen Grund: Wer sich nicht mehr selbst das Recht zugesteht oder sich traut, seine Interessen zu vertreten, kann sie auch nicht zur Geltung bringen. Die Interessen derjenigen, die mit fadenscheinigen Vorwürfen, moralischen Vorhaltungen oder Schuldgefühlen zum Schweigen gebracht werden, spielen im gesellschaftlichen Diskurs keine Rolle mehr.
Davon profitieren diejenigen, die es einrichten können, ihre Interessen oder Privilegien in den bestehenden Strukturen zu verankern wie etwa Abgeordnete, höhere Beamte und einige andere Berufsgruppen, sowie diejenigen, die vermögend oder gut vernetzt sind und ihr Geld arbeiten oder ihre Beziehungen spielen lassen können.
Zum anderen profitieren die ‘Makler von Schuld, Mitleid und Barmherzigkeit’, Politiker, Parteien und NGOs, all diejenigen, die als ‘man-in-the-middle’ den ‘Täter-Opfer-Ausgleich’ oder den ‘Arm-Reich-Ausgleich’ organisieren und eine Provision dafür einstreichen oder die ihre Interessen über Umwege einbringen, indem sie sie mit ‘edlen Zielen’ verknüpfen oder dahinter verbergen, wie es inzwischen bei etlichen Vertretern von Wohltätigkeitsorganisationen, Vereinen und gemeinnützigen Institutionen der Fall ist, bei denen direkt oder indirekt gutes Geld verdient und Karriere gemacht werden kann, wenn man genügend oder die richtigen Förderer und Sponsoren gewinnt, die das angenehm Wohltätige mit dem nützlich Profitablen zu verbinden verstehen. Gegenüber denjenigen, bei denen es materielle Güter zu holen gibt, tritt man als Schmeichler oder Blockwart auf, gegenüber denjenigen, von denen man sich Unterstützung erhofft, als treuer Freund und Gönner.
Langfristig profitiert niemand vom Fehlen eines offenen und fairen Diskurses zum Zwecke eines gerechten Ausgleichs von Interessen, denn dadurch wird ein Interessenausgleich verhindert und das lässt den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt Stück für Stück erodieren.
Ex- Bundespräsident Joachim Gauck bei Lanz zum Thema rechts & links (20.06.2019, ganze Sendung)
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‘Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.’
Der Klassiker in punkto ‘Profit erzielen aus Schuldgefühlen anderer’ und ‘Verbergen eigener Interessen hinter edlen Zielen’ und ‘Einbringen eigener Interessen im Schafspelz der Barmherzigkeit’ sind die Ablassbriefe der Kirche zu Zeiten Luthers, die Fürbitte und Seelenheil gegen klingende Münze versprachen: ‘Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.’ Mit derlei Methoden hat es die katholische Kirche unter dem Deckmantel von Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Altruismus zu dem oder zumindest zu einem der größten irdischen Vermögen überhaupt gebracht. Auch die evangelische Hungerhilfe ‘Brot für die Welt’ hat nicht nur ein großes Herz für die Hungernden der Welt, sondern ebenso eines für den Hunger ihrer Vorstände, der dank großzügiger staatlicher Zuwendungen und unzähliger Spenden – darunter manch eine Kleinspende, die sich ein altes Mütterchen vom Munde abspart – mit einem Jahreseinkommen von bis zu 200.000 Euro gestillt wird (Jahresbericht 2018, Seite 66).
Auch als Protagonist des Proletariats, etwa als Sozialdemokrat, kann man es weit bringen, wenn man zur rechten Zeit am rechten Ort ist, ebenso als Geschäftspartner der AWO. Die drei Vorstände der Johanniter kommen zusammen auf ein Jahreseinkommen von 490.000 Euro, pro Person also ca. 160.000 Euro. Vergleichbar sieht es bei der AWO (220.000 p.a.) und der Caritas (160.000 p.a. plus Zusatzleistungen) aus. Auch bei den Öffentlich- Rechtlichen Rundfunkanstalten (bis 400.000 p.a.) oder den Gesetzlichen Krankenkassen (bis 330.000 p.a.) müssen die leitenden Mitarbeiter nicht darben. Gute direkte oder indirekte Verdienstmöglichkeiten gibt es auch in der Asly- und Migrations- Industrie und in der Entwicklungshilfe und vermutlich bei weiteren sozialen Einrichtungen und Organisationen.
Mitleid & Altruismus
Mitleid, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Altruismus und Gemeinnützigkeit beruhen auf natürlichen sozialen Instinkten der geselligen Hordenwesens Minsch und sind im angemessenen Maß sozialer Kitt und löbliche Einstellungen. Grenzwertig wird es, wenn soziale Instinkte und genossenschaftliche oder gemeinwirtschaftliche Überzeugungen zur Selbstausbeutung führen oder von geschickten Maklern in eigener Sache über Gebühr ausgenutzt werden. Derartige Entwicklungen verlaufen oftmals schleichend und nahezu unbemerkt, wohl nicht ganz so krass, aber doch tendenziell analog zur freien Wirtschaft. Dort haben sich nach dem Ende des Kalten Krieges die Spitzeneinkommen verdreifacht, während die Einkommen der mittleren Ebenen nur geringfügig angestiegen sind und die der unteren Ebenen gleich geblieben oder sogar per Ausweitung des Niedriglohnsektors gesunken sind.
Eigensinn, Sozialsinn und auch das Gerechtigkeitsempfinden [2] sind grundlegende Wesensmerkmale des Menschen, angeboren oder in frühen Prägephasen erworben. Es zerstört den Menschen, eines davon zu verdammen und ein anderes davon zur allgemeinen Maxime zu erheben. Vielmehr müssen Kultur und Gesellschaft sich bemühen, unter all diesen menschlichen Antrieben und ihren Trägern einen vernünftigen sozialen Ausgleich zustande zu bringen. Jeder dieser Antriebe kann im rechten Kontext wertvoll und im falschen Kontekt verderblich sein.
‘Virtue Signalling’ und Gratismut: Scheinheilige ‘Gutmenschen’ in Schweden? Zunächst behauptet jeder, er wolle Flüchtlinge privat aufnehmen, als es dann konkret wird, macht keiner mit. [Ersatzlink]
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Barmherzigkeit als Geschäftsmodell
Das Prinzip ‘Barmherzigkeit als Geschäftsmodell’ funktioniert heute so gut wie im Mittelalter. Man prüfe stets, welche Interessen, Motive und Resultate hinter dem Eintreten für ‘edle Ziele’ stecken und bewerte sie vor diesem Hintergrund. Dabei kommt es nicht nur auf die Ziele selbst an, sondern auch auf Mittel, Maß und Methoden, mit denen sie vertreten werden. Und nicht zuletzt, was für ein Ergebnis dabei am Ende herauskommt, wer die Lasten und Kosten trägt und wer Profite oder Ruhm erntet. Das alles zu bedenken erfordert Verantwortungsethik.
Besondere Achtsamkeit und Vorsicht ist bei Gratismutigen und Gesinnungsethikern geboten, deren Mildtätigkeit und Barmherzigkeit weitgehend oder gar ausschließlich aus frommen Sprüchen, guten Ratschlägen oder Appellen an die Allgemeinheit oder an Dritte besteht, auf ‘virtue signalling’ oder Distinktionsgewinn abzielt und ihnen selbst (vermeintlich) keine oder nur geringe Opfer abverlangt.
Im evolutionären Prinzip des Lebens geht es immer um das Erlangen von Ressourcen für sich selbst (Eigenwohl = rechts), bei einem sozialen Wesen (Hordenwesen) wie dem Menschen aber auch um Solidarität, Kooperation und ‘Geben & Nehmen’ und damit um Ressourcen für andere bzw. die Allgemeinheit (Gemeinwohl = links). Erst beides zusammen im rechten Maß ergibt die richtige Mischung, nämlich Synthese & Synergien für ein befriedigendes eigenes Leben, eine erfolgreiche und blühende Gesellschaft und ein friedliches und gedeihliches Miteinander.
Peter Hahne im Interview beim MDR (16.04.2018): ‘Ich sage doch einfach nur, was eigentlich der gesunde Menschenverstand einem sagen müsste. Und wenn das heutzutage AfD und Pegida ist, dann ist es mit unserem Land weit gekommen.’ [»Ersatzlink | »Ganze Sendung)
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P.S.: Die Ablehnung von Rechts- und Links- Extremismus, Gewalt und Terror sollte für jeden, dem ernsthaft etwas an einem offenen und fairen Diskurs und an einem gerechten gesellschaftlichen Interessenausgleich liegt, selbstverständlich sein.
Links:
Gauck wirbt für „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ (Tagesspiegel)
Gauck stößt mit Forderung nach “Toleranz…” auf Kritik (Welt)
Gauck verteidigt Forderung nach Toleranz…: ‘Die teilweise heftigen Reaktionen auf diese Forderung zeigen mir, dass es einigen gar nicht um Debatten geht, sondern einfach um die Sicherung alter Denkweisen und Milieusicherheiten’ (Gauck, Welt)
Wenn Diversität sich gegen den Menschen kehrt (Armin Nassehi, DLF, 08.09.2019)
Säkularer Liberalismus (Helen Pluckrose, DLF, 27.09.2020)
Wir gegen die: Opferansprüche & Schuldbekenntnisse (Sandra Kostner | NZZ)
Sandra Kostner: Identitätslinke Läuterungsagenda (Socialnet)
„Der Gesellschaft ein identitäres Weltbild aufzwingen“ (Kostner, Welt)
‘Selbstverständlichkeit’: Kretschmer stellt sich hinter Gauck: ‘Rechtsextrem oder Linksextrem – das sind die Positionen, wo der Staatsanwalt kommt, wo wir mit aller Härte des Gesetzes auch dagegen vorgehen müssen. Und dazwischen muss jede Diskussion und Auseinandersetzung möglich sein.’ (MDR)
Titelbild: Albert Anker [Public domain], via Wikimedia Commons
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