Gibt es eine Neuauflage von Schwarz-Blau?
Nach Ibiza-Gate im Mai diesen Jahres stehen in Österreich kommenden Sonntag Neuwahlen an. Die ÖVP mit dem im Frühjahr als Kanzler gestürzten Spitzenkandidaten Sebastian Kurz liegt in den Umfragen mit 33 % bis 35% klar in Front. Dahinter folgen mit großem Abstand die SPÖ mit 21% bis 23% und die FPÖ mit rund 20%.
Die ÖVP kann gegenüber der Wahl von vor 2 Jahren sogar mit einem Zuwachs von rund 3% rechnen, ihr Hoch von 38% gleich nach dem Misstrauensvotum wird sie allerdings wohl nicht ins Ziel bringen. Der SPÖ hat der ‘Putsch von Wien’, welche zum Sturz der ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition führte, erwartungsgemäß nichts genutzt. Im Gegenteil, laut aktuellen Umfragen wird sie vermutlich bis zu 5% Prozentpunkte verlieren. Und der FPÖ hat der Skandal offenbar weniger geschadet, als manch einer sich erhofft haben dürfte. Allerdings wird sie wohl ebenfalls rund 5% an Stimmen einbüßen, also etwa in gleicher Größenordnung wie die SPÖ.
So gings letztes Mal aus: Ergebnis der Nationalratswahl 2017
Von den Verlusten der SPÖ und der FPÖ profitieren voraussichtlich die beiden kleinen Parteien. Die runderneuerten Grünen können auf 11% hoffen, die (links-) liberalen NEOS auf 8%. Die Grünen profitierten dabei von dem Hype um Klimawandel und Klimaschutz, der auch in den österreichischen Mainstream Medien die Berichterstattung dominiert.
Der Wähler setzt offenbar andere Prioritäten. Sebastian Kurz gilt nicht wegen seiner mit Vernunft und Augenmaß klima- und umweltfreundlichen Politik für eine erneute Kanzlerschaft als gesetzt, sondern wegen seiner nach wie vor ablehnenden Haltung gegenüber Massenmigration in die Sozialsysteme und gegenüber Sonderrechten für Religionen. Wer der Koalitionspartner werden wird, ist offen, doch vieles deutet auf eine Neuauflage der bis zu ihrem unfreiwilligen Ende erfolgreichen und in Österreich beliebten ÖVP / FPÖ- Koalition hin. Denn zwischen der ÖVP und der FPÖ hat sich das nach der Ibiza- Affaire zerrüttete Verhältnis wieder entspannt. Zwischen Kurz und dem neuen FPÖ-Obmann Norbert Hofer, der auch die leisen Töne zu spielen versteht, scheint die Chemie zu stimmen und programmatisch hat sich die FPÖ mit ihrer Offensive für eine bodenständige Umweltpolitik ein stückweit in Richtung Mitte bewegt. Auf eine Abgrenzung nach rechts legt Kurz jedoch großen Wert. Sollte es erneut zu einer Zusammenarbeit kommen, müsste die FPÖ vermutlich die Kröte schlucken, dass für Hardliner Kickl kein Platz auf der Regierungsbank ist.
Kurz kritisiert die EU-Politik der offenen Grenzen und das Weiterwinken von Migranten nach Mitteleuropa.
In der SPÖ hat man den einstmals extrem freizügigen Kurs in der Migrationspolitik zwar ein klein wenig in Richtung mehr Realismus korrigiert, aber die Partei ist in dieser Frage zerstritten und starke Kräfte plädieren nach wie vor für eine Politik weitgehend offener Grenzen. Kürzlich sprach man sich gemeinsam mit NEOS und Grünen für eine gemeinsame EU- Asylpolitik aus, die dann wohl eher im Sinne Merkels als in dem von Kurz sein dürfte. Das klang schon wie ein Abgesang auf eine mögliche Regierungsbeteiligung. Daher erscheint eine Koalition der ÖVP mit der SPÖ zwar nicht unmöglich, aber weniger wahrscheinlich als eine erneute Koalition der ÖVP mit der FPÖ.
Die liberalen NEOS, die sowohl mit einer Koalition mit der ÖVP als auch mit einer Dreierkoalition mit SPÖ und Grünen liebäugeln, werden hingegen vermutlich leer ausgehen. Für beide Varianten wird es voraussichtlich nicht reichen.
Meine Prognose:
ÖVP 35%, SPÖ23%, FPÖ 20%
Neuauflage der ÖVP / FPÖ – Koalition
Alternative: ÖVP / SPÖ – Koalition
Update: Vorläufiges Endergebnis Nationalratswahl 2019
Links:
Mit wem regiert Kurz als nächstes? (Heise)
Umfrage sieht ÖVP klar vor SPÖ und FPÖ (Standard)
Wenn SPÖ 2. Platz verliert, ist die Hölle los (Standard)
Positionen der Parteien zur Migrationspolitik (Standard)
Umgang der FPÖ mit rechtem Rand entscheidet über Koalition (NZZ)
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