Neuwahlen in Austria nach Strache/FPÖ- Skandal.
Nach dem Strache/FPÖ – Skandal soll es in Österreich im September Neuwahlen geben. Die hatte zuvor bereits die deutsche SPD- Chefin Nahles gefordert. Offenbar hoffen einflussreiche Kreise in Wien, Berlin, Brüssel und womöglich auch anderswo darauf, dass sich die österreichische Politik erneut dem deutschen Sonderweg anschließt, wie das bereits vor der Kanzlerschaft Kurz der Fall war.
Ibiza-Gate: Strache in der Falle
In den letzten 72 Stunden überschlugen sich die Ereignisse. Was war geschehen? Gut eine Woche vor den EU- Wahlen, bei denen die etablierten Parteien aufgrund ihrer wenig bürgerfreundlichen Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte enorm unter Druck stehen und hohe Stimmenverluste befürchten müssen, tauchte wie aus dem Nichts beim Spiegel und bei der SZ ein 2 Jahre altes, in Geheimdienst- Manier verdeckt aufgenommenes Video auf, das den damaligen Oppositionsführer und aktuellen österreichischen Vizekanzler Heinz- Christian Strache von der FPÖ, inzwischen Koalitionspartner der ÖVP, kompromittiert.
Das Video zeigt ein mit Hilfe von Lockvögeln initiiertes privates Treffen der beiden FPÖ-Politikern Strache und Johann Gudenus mit zwei Aktivisten oder Agenten, die sich als Kontaktpersonen eines russischen (laut Strache lettischen) Oligarchen ausgeben, in einem Bungalow auf Ibiza. Die Stimmung ist gelöst. Die attraktive angebliche Nichte des Oligarchen mit endlos langen, glatten Beinen in heißen Höschen soll nach Darstellung des Spiegel bei diesem Treffen Interesse an Investitionen in Höhe von 1/4 Mrd Euro in Österreich äußern. Der aufgekratzte und nach eigenem Bekunden zunehmend alkoholisierte und von der neben ihm sitzenden schönen Agentin wohl nicht unbeeindruckte Strache sichert Unterstützung bei Investitionen zu und spricht von der Möglichkeit staatlicher Aufträgen, wenn der Investor seinerseits die FPÖ im Wahlkampf unterstütze. Er bringt fragwürdige Spendenpraktiken ins Spiel, nennt angebliche Sponsoren der FPÖ – von denen etliche die Spenden inzwischen bestreiten – und regt die Übernahme oder eine maßgebliche unternehmerische Beteiligung an der Kronen-Zeitung (‘Krone’) an, dem auflagenstärksten meinungsmachenden Boulevardblatt Österreichs. Im Laufe des Gespräches soll Strache allerdings auch mehrfach betonen, dass stets darauf zu achten sei, keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen.
Skandal just-in-time?
Das Treffen fand bereits im Sommer 2017 statt, also vor etwa 2 Jahren, kurz vor den im daraufolgenden Herbst stattfindenden Nationalratswahlen. Wurden die heimlichen Aufnahmen so lange unter Verschluss gehalten, um im günstigsten Moment eingesetzt zu werden? Dieser Moment scheint nun, 1 Woche vor den EU- Wahlen, gekommen. Warum das Video nicht bereits zur oder vor der Nationalratswahl oder während der Koalitionsverhandlungen danach lanciert wurde, darüber kann man trefflich spekulieren. Galt die Aktion womöglich nicht allein der FPÖ, sondern ebenso der Koalition mit Kurz und der ÖVP und ganz allgemein der Zerschlagung von rechts- konservativen Bündnissen in Europa? Die Aufzeichnung soll insgesamt eine Länge von 6 Stunden haben, bisher wurden jedoch nur Ausschnitte von wenigen Minuten publiziert. Das unveröffentlichte Material soll pikante Einschätzungen, abfällige Bemerkungen und Indiskretionen über andere Politiker, u.a auch den späteren Kanzler Sebastian Kurz, enthalten und könnte daher auch für den österreichischen Staatsschutz von Interesse sein.
Die Ersteller bzw. Initiatoren des brisanten Videos sind bislang unbekannt. Die Gerüchteküche brodelt. Die SPÖ wird genannt, Namen wie Tal Silberstein werden gehandelt und natürlich auch der unvermeidliche Böhmermann, der zumindest früher oder später Bescheid gewusst haben soll, was sein Manager wohl auch bestätigte. [Update: Kurz und sein Projekt mit der FPÖ soll aber auch in der eigenen Partei, der ÖVP, erbitterte Widersacher haben.] Meiner Einschätzung nach kommen als Ersteller bzw. Auftraggeber in erster Linie ehrgeizige Medienschaffende oder -künstler mit Verbindungen in die Politik oder Kontakten zu einflussreichen Kreisen in Frage, man kann aber auch nicht ausschließen, dass besorgte Aktivisten von NGOs oder gar Erpresser hinter der Aktion stehen. Dass bei der derzeitigen Polarisierung und Spaltung der europäischen Gesellschaften Interesse an dem Video bestehen würde, war absehbar. Inwiefern die Aufnahmen selbst und die Gesprächsinhalte Straftatbestände darstellen, wird die juristische Aufarbeitung der Vorgänge ergeben. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden- Württemberg zeigte sich wenig erbaut über die Aktion:
Wenn wir politische Gegner hintergehen, ihre #Privatsphäre verletzen u sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer politischen #Kultur u damit uns allen
Kein Ruhmesblatt @DerSPIEGEL @SZ#strachevideo #Ibizagatehttps://t.co/mL2q13Jd8x
— LfDI Baden-Württemberg (@lfdi_bw) 18. Mai 2019
Perfide Strategien vs. menschliche Schwächen
Ziel der Konspiration war offenkundig zumindest die Bloßstellung von Strache und der FPÖ. Eilfertige Politiker und beflissene Medien trachten danach, den Skandal und die Kompromittierung auszuweiten auf alle sogenannten ‘Rechtspopulisten’ in Europa und sogar auf praktisch alle Kritiker der Politik der unregulierten und unkontrollierten Massenmigration vornehmlich junger, unqualifizierter und kulturfremder Männer aus Asien und Afrika nach Europa, die in der Praxis bedeutet, dass Schlepper und deren Hintermänner und nicht europäische Staaten und Gesellschaften darüber entscheiden, wer nach Europa kommt und wer nicht.
Die gezielte Ausgrenzung rechter Parteien aus dem demokratischen Spektrum könnte vor allem der Strategie dienen, die konservativen Parteien nach rechts hin zu isolieren, so dass sie gezwungen sind, sich zur neoliberal- neolinken Mitte hin zu orientieren. Aus Kreisen der heimatfeindlichen SPÖ wird nun auch wieder Kanzler Kurz – nachdem sich die Silberstein- Kampagne vor den Nationalratswahlen als Rohrkrepierer erwies – verstärkt unter Beschuss genommen:
Nach der unappetitlichen antisemitischen Kampagne durch Sebastian Kurz halte ich jede Koalition einer demokratischen Partei mit ihm für unmöglich. Die ÖVP sollte sich überlegen, ob sie wirklich mit dieser Person in die Wahl gehen will. Diese Figur wird keinen Partner mehr finden
— Robert Misik (@misik) 20. Mai 2019
Die Affaire Strache zeigt zweierlei: Auf der einen Seite die Machenschaften und perfiden Strategien in den Hinterzimmern der Macht und hinter den Kulissen der Politik und ihr Zusammenspiel mit mehr oder minder idealistischen oder ehrgeizigen Aktivisten und Medien und auf der anderen Seite die menschlichen Schwächen von Politikern und ihre Anfälligkeit für zumindest moralisch bedenkliche Methoden im Kampf um politischen Einfluss und Macht.
Dass es derlei nur bei ‘Rechtspopulisten’ geben soll, wie einige es nun darstellen wollen, ist wenig glaubwürdig, wie u.a. die Barschel- Affäre, Hillary Clintons ‘Email- Gate’ (4) und unzählige weitere derartige Fälle in der Vergangenheit und die fragwürdige Politik der Gegenwart zeigen bzw. mutmaßen lassen. Nicht zuletzt das Zulassen von unregulierter und ungesteuerter Massenzuwanderung in die Sozialsysteme unter Ausnutzung des Asylrechtes ist verfassungsrechtlich bedenklich, wie Staatsrechtler und Juristen wie di Fabio, Hillgruber, Bertram, Papier, Rupert Scholz und andere befinden.
Stellungnahme und öffentliche Rücktrittserklärung von Vizekanzler Strache
In einer Presseerklärung nimmt der sichtlich bewegte Vizekanzler Stellung zum Video und teilt seinen Rücktritt mit, um Schaden für das gute gemeinsame Projekt von ÖVP und FPÖ abzuwenden. Er entschuldigt sich für sein ‘katastrophales’ und ‘peinliches’ Auftreten und allerlei Polemik, Beleidigungen und halbseidene Aussagen. Zugleich wirft er den Machern des Videos eine strafrechtlich relevante Verletzung seiner Privatsphäre vor, nach seinen Worten eine ‘geheimdienstlich inszenierte Lockfalle’, ein ‘politisches Attentat’ in ‘Auftragsarbeit’. Er selbst habe keine strafbaren Äußerungen getätigt oder Handlungen begangen.
Kurz: Inhaltliche Zusammenarbeit prima, Politikstil ungenügend
‘Genug ist genug’: Stellungnahme von Kanzler Sebastian Kurz mit Aufkündigung der Koalition und Ankündigung von Neuwahlen.
Der österreichische Kanzler Kurz erklärte die Regierungskoalition seiner ÖVP mit der FPÖ für gescheitert. Mit der FPÖ könne er nach mehreren unerfreulichen Vorkommnissen nicht mehr weiterregieren, ‘genug sei genug’. Für eine Koalition mit der SPÖ gebe es derzeit aber nicht genügend inhaltliche Gemeinsamkeiten, daher schlage er Neuwahlen vor. Die sollen nun im September stattfinden, wie später bekannt wurde.
Kurz verwies aber auch auf die gute Regierungsarbeit und die Erfolge der ÖVP/FPÖ- Koalition in den vergangenen 1 1/2 Jahren und den eingeleiteten Umschwung, die Neuausrichtung und Neuordnung der österreichischen Politik. Man habe alle Projekte umgesetzt, die man sich vorgenommen habe: Die Schuldenpolitik wurde beendet, die Steuerlast für arbeitende Menschen gesenkt und die illegale Migration massiv reduziert. Ferner seien Reformen im Bildungswesen und bei den Sozialversicherungen gelungen und im Bereich der Digitalisierung sei man nun wieder an der Spitze der EU. Für diese Umsetzungsarbeit bedanke er sich aufrichtig bei allen Mitgliedern der Regierung, ganz gleich, welcher Partei sie angehören.
Der Verlierer ist der Bürger
Österreich und die österreichischen Bürger sind nun in einem echten Dilemma: Trotz inhaltlich erfolgreicher Arbeit und der Rückkehr der Vernunft und des viel gescholtenen – warum eigentlich? – ‘gesunden Menschenverstandes’ in die Politik, die von einer großen Mehrheit der Bürger im Land gefordert, begrüßt und getragen wurde (1), ist das Projekt der ‘konservativen Wende’ und Erneuerung auf Basis rationaler Grundsätze und Überlegungen viel zu früh vorerst gescheitert und es gibt derzeit wenig Anlass zur Hoffung, dass es in absehbarer Zeit fortgesetzt werden kann.
Die natürliche Koalition aus Vernunft, Bewahrung und Wertschätzung des Eigenen bei Akzeptanz und freundlicher Aufnahme des Fremden, wenn es in aufgeschlossener, friedlicher und konstruktiver Absicht daher kommt, wurde gesprengt und tief gespalten. Menschlich- allzumenschliche Schwächen auf der einen und ideologischer Eifer, Ehrgeiz und Besserwisserei im Dienste oder zum Vorteil verdeckter, neoliberaler Kräfte auf der anderen Seite haben ein hoffnungsvoll begonnenes Projekt vorzeitig zur Strecke gebracht. Ein mehr als zweifelhafter Erfolg der Opposition.
Die Österreicher werden sich im September erneut darüber klar werden müssen, welche Politik sie sich künftig wünschen: Eine Politik der geordneten Verhältnisse, wie sie die von Kurz geführte Mitte- Rechts- Koalition eingeleitet hat oder die Politik des Chaos, des Stillstands trotz rascher Wendungen, der Finten und der Selbstüberschätzung und Überforderung nach dem Vorbild Deutschlands, wie die Vorgänger von Kurz sie mitmachten.
Ob Kanzler Kurz dem enormen politischen und medialen Druck, der nun nicht zuletzt von den schwergewichtigen Nachbarn im Norden und Nordwesten auf ihn ausgeübt werden wird, auf sich allein gestellt wird standhalten können, ist fraglich. Nur allzugern würde man Wien aus Berliner und Brüsseler Sicht wieder heim holen und zu dem machen, was es vor der ÖVP/FPÖ Koalition war: Ein gefügiger Mitläufer der Großen Zentralen und einsamen Entscheider*nnen (2, 3). Bei aller Liebe zum Stil und zur politischen Taktik und Korrektheit, aber auch bei allen liebenswerten Unterschieden dürfte in Österreich zumindest in einer Sache das gleiche gelten wie im Ruhrpott: Grau ist alle Theorie – maßgeblich is aufm Platz!
Links:
(1) 58% der Österreicher mit Regierung zufrieden (Presse)
(2) Deutsche Politiker belehren Österreich (NZZ)
(3) Innenminister auf Wunsch dt. Politiker entlassen (Video gloria.tv)
(4) Strache- Video: Heiligt der Zweck die Mittel? (DLF)
– Ex-BND-Chef: Versuch, Wahlen zu manipulieren (n-tv, Youtube)
– Maaßen: Video-Falle erster Akt des Skandals (Bild)
– Infos, Analysen und Spekulationen zum ‘Coup’ (Ceiberweiber)
Zuletzt aktualisiert: 26.05.2019 (u.a. aktuelle Links eingefügt, auf die Fälle Barschel und Clinton als vergleichbare Affairen hingewiesen und ein paar Überlegungen zur politischen Strategie hinter dem Komplott hinzugefügt)
Titelbild: See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons
Nachtrag: So soll der Coup gelaufen sein: Ibiza-Connection: Die unfassbare, einzigartige, ganze Geschichte. [Unter Vorbehalt – keine Ahnung, ob das stimmt, was da steht!]
http://www.eu-infothek.com/ibiza-connection-die-unfassbare-einzigartige-ganze-geschichte/
[…] Kanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP (35%) bei den EU- Wahlen gestärkt aus dem ‘Putsch von Wien’ in der Vorwoche hervor und verzeichneten deutliche Stimmengewinne. Die […]